Sonntag, 12. Juli 2015

Eine mobile, solare Dörreinheit aus Recyclingmaterial für Null Euro

Von der Fettpfanne bis zur "schwarzen Kiste" - solare Trockner für Experimentierfreudige

Solare Trockner von einem Meter Länge
Unsere solare, mobile Trocken-Einheit. Apfelscheiben sind so in
1-2 Tagen durchgetrocken.
Solare Dörrapperate sind super ökologisch. Spätestens seid der selbstgemachten Gemüsebrühe experimentiere ich mit verschiedenen Varianten Obst und Gemüse noch schneller und nachhaltiger zu trocken. Ein elektrisches Dörrgerät ist mir jedoch zu teuer und der Strom aus dem Ofen ebenso - auch wenn ich strenggenommen mit Ökostrom dörren würde. Aber nur nicht verbrauchter Strom ist wirklich ökologisch :) und bei der Hitze kommt es mir eh widersinnig vor, ein elektrisches Dörrgerät anzuschalten. Das muss doch günstiger gehen.


Selber machen statt kaufen

Es gibt einige Seiten im Internet, die Bauanleitungen für solare Dörrgeräte und solare Trockentunnel anbieten, zum Teil gratis, zum Teil mit zum Kauf-Download. Mir sind die alle zu groß. Ich brauch was kleines, mobiles, was ich unter den Arm klemmen kann, wenn ich mal wieder zwei Rosen trocken oder Zitrusschalen trocken will.  Kräuter trockne ich kopfüber aufgehängt auf meiner Terrasse und Obst und Gemüse esse ich eigentlich lieber frisch. Dennoch: Gelegentlich trockne ich dann doch hier und da mal etwas. Bisher haben ich mit der Restwärme des Ofens getrocknet, doch bei der Hitze backe ich selten. Also bleibt nur die Sonne.
Aus Mamas fixer Idee zum Mini-Trockentunnel, wurde mal wieder ein Familien-Projekt. Wie kann man Sonnenwärme zum Trocknen nutzen? Meine Jungs blühte voll auf und kam mit immer neuen Ideen - bishin zu: "Mama, wir müssen die Lüftung aus deinem Laptop ausbauen, damit wir einen Luftzug erzeugen." Clever, aber am Laptop wird nichts ausgeschraubt. Aber: Die Kinder hatten Spaß dabei, Lösungen zu finden und anschließend zu werkeln und war überrascht, mit was für Ideen sie ankamen.

Vorversuch Teil 1: In der Fettpfanne dörren

Meine ersten diletantischen Trocknungsversuche waren gar nicht schlecht: Meine ausgediente Fettpfanne  und eine Plexiglasplatte (die leider nicht ganz die passenden Maße hat, aber egal) aus unserem abgebauten Spielhäuschen dienen als erster "Trockentunnel". Das die Plexiglasplatte gar nicht ganz passt, ist im Nachhinein nicht schlimm, denn die Feuchtigkeit die beim Trocknen entsteht, kann  zügig abdampfen. Heißt wird es dennoch. Das Blech erwärmt sich in der Sonne über 50 Grad. Beim Versetzten halten meine Finger die Hitze grade noch so aus. Innentemperatur stieg deutlich über 42 Grad und ich frage mich, ob Dörren in einem "professionellen" solaren Trockentunnel, wo die Temperaturen auch mal 60 Grad steigen, überhaupt noch für Rohköstler geeignet sind.
Rohköstliches Leinsamen-Knäckebrot - natürlich sonnengetrockent. Mit Walnusstapenade und
Bärlauchpesto ist das ein No-Carb-Snack. Viel dazu trinken!

Wird man als Rohköstler ideologisch dazu gezwungen einen stromziehenden Dörrapperat zu benutzten, damit man bloß nicht über 42 Grad kommt? In der Wüste wird es deutlich heißer. Ist Wüstennahrung dann nicht mehr für Rohköstler gut? Seltsame Gedanken, die einen bei solchen Projekten im Kopf herumgeistern. Da ich das nicht so ideologisch streng mit der Ernährungstypisierung nehme, war mir die 42 Grad Regel erst mal nicht so wichtig. Mir ging es darum: Kann man mit so "popeligen Dingen" wie einer Fettpfanne und einer Plexiglasplatte dörren?

Vorversuch Teil 2: Der Härtetest mit Rohkost-Knäckebrot

In der Fettpfanne dörren.
Ob unser Rohkostbrot wirklich noch Rohkost ist? Mit einer Fettpfanne und einer Plexiglasplatte
steigen die Temperaturen auch man schnell über die magische Rohkost-Marke.
Da dies hier als "Testrezept" für den Dörrapperat und war eigentlich nicht als super ausgefeiltes  "Essrezept" gedacht ist, es adann aber doch so toll funktioniert hat, hier nur kurz, was das Sonnenknäckebrot beinhaltet und wie man es anrührt:

  • 100 g Leinsamen im etwas Wasser ausquellen lassen, 
  • dann mit 1 EL Tomatenmark und 
  • 1/2-1 TL Salz verrühren. 
  • Die Massen dünn auf ein Backpapier streichen und ab damit aufs Trockenblech. 

Das sonnengetrocknete Leinsamenknäckbrot ist zwar
dünn, aber richtig knusprig.
Das Ergebnis fand ich gar nicht so schlecht. Am ersten Tag trocknete die Vorderseite, dann war das Brot so trocken, dass man es vom Backpapier ziehen  und undrehen konnte. Nachtrocknungszeit waren dann nur noch wenig Minuten auf dem Trocknungsblech in der Sonne. Das Brot schmeckt pur etwas nach Heu, aber mit Walnusstapenade oder einem Pesto (bei mir war es ein Rest Bärlauchpesto, der unbedingt weg musste - undja das hält sich auch deutlich länger als 4 Wochen) war das ein super Snack zu einer Runde Scrabbel - und was für Anhänger der No-Carb-Ernährung. Meine Fettpfnne hatte den Test bestanden :). Da so ziemlich jeder einer solche Fettpfanne oder ein Backbleck mit höherem Rand zu Hause hat, kann ich nur empfehlen, solltet ihr das testen wollen,  die Augen offen zu halten nach ausgedienten Glasscheiben oder Gewächshausplanen, Plexiglasplatten oder defekten Aquarien oder Terrarien.
Unser Versuch ging weiter.

Grundprinzip der meisten solaren Trockentunnel 

In "richtigen" Trockentunneln dient die Hälfte der Fläche  als schwarze "Kollektorfläche" die sich aufheißt und die Luft erwärmt. Auf die andere Hälfte kommt das Trockengut. Eine Belüftung wird bei den großen Trockentunneln dann meist mit einen Ventilator erzeugt, natülich über Photovoltaik.

Unsere dörrender "Röstomat 3001"

Mal wieder sollte aber nichts gekauft, sondern für unseren Trockentunnel "Abfallholz" genutzt werden, dass sich bei uns im Laufe der Zeit so angesammtelt hat. Größer als ein Meter sollte er auch nicht werden, um ihn gut verstauen und tansportieren zu können. Auch haben wir wir uns entschieden, es erst mal ohne Belüftung zu versuchen, vielleicht lassen sich die Undichtigkeiten und die Physik dafür nutzen (warme Luft steigt nach oben) einen Luftstom zu erzeugen, der fürs Trocknen ausreicht. Bei der Fettpfanne reichten die Luftschlitze ja ebenfalls.

Die Sache mit dem Dörr-Einsatz 

Ein Dörreinsatz aus einem Keilrahmen und einen Knoblauchnetz
Ein ausgedienter Keilrahmen mit einen Knoblauchnetz
bespannt: der Dörreinsatz.
Der Dörreinsatz im Test mit Nachtkerzenblüten
Der Dörreinsatz im Test mit ein paar Nachtkerzenblüten
in der Fettpfanne.
Die schwerste Herausforderung gleich zu Beginn: Wir brauchen einen Dörrahmen auf dem das Dörrgut gelagert wird und besser belüftet ist als Backpapier.  Problem ist nämlich, dass man kein X-beliebiges Gitter nehmen kann, sondern das dies aus Edelstahl sein muss. Beim Trocknen finden Oxidationsprozesse statt, die das Metall angreifen. Auch Kunststoffnetze eigenen sich, sofern sie lebensmitteltauglich sind. Die Poren- oder Maschenweite darf nicht zu groß sein, weil kleinere Beeren beim Trocknen und Schrumpfen sonst durch die Maschen purzeln. Alles nicht so einfach. So saßen wir 3 Tage und probierten herum, bis wir eine ebenso geniale, wie günstige Variante gefunden hatten: Wir nutzen
einen alten Keilrahmen, den wir abspannten und noch etwas auseinander zogen, um die Spannfläche zu vergrößern und als Netz griffen wir zu einen Kunststoffnetz aus dem Lebensmittelbereich: Ein Knoblauch-Netz. Ob das lebensmittelecht ist? Nun die Laborkosten spar ich mir und bete. Für die ersten "Gehversuche" muss das ausreichen. Als Alternative haben wir unser altes Küchensieb aus Edelstahl im Visier, doch das ist aktuelle noch diensttauglich. Also: Knoblauchnetz aufgeschnitten und mit einen Möbeltucker an den Keilrahmen getackert. Fertig war der Dörreinsatz.

Perfekt um Blüten schnell und schonend zu trocknen

Nachtkerzentrocknung im Vergleich.
Die gelbe Nachtkerze wurde im "Mini-Trocker" getrocknet.
De braune Blüte trocknete als Vergleich einfach
so in der Sonne. Fazit: Im Trockentunnel bleibt die Farbe
besser erhalten und es geht viel schneller.
Getestet wurde der Dörreinsatz wieder in der Fettpfanne. Die Nachtkerzenblüten die morgens auf den Dörreinsatz in die Fettpfanne kamen waren binnen weniger Stunden vollständig trocken und  - schön gelb geblieben und nicht braun geworden. Insofern lohnt sich das Umfunktionieren einer Fettpfanne vor allem um Blütenblätter rasch zu trocknen, damit sie ihre Farbe weitestgehend erhalten.


Der Mini-Trockentunnel als Kinderbastelprojekt

Mit dem Bau des eigentlichen Mini-Trockentunnels oder des "Röstomats 3001", wie ihn unsere Jungs nennen, beauftragte ich meinen "Großen". Auftrag: Baue eine Kiste für den Dörreinsatz, die zur Hälfte aus solarer Kollektorfläche besteht.  Interessanter Weise baute unser 12-Jähriger die Kiste aus Restholz extakt um den Dörreinsatz herum  plus die doppelte Länge Schwarzfläche und wählte die Größe so, dass die Plexiglasplatte den Kasten vollständig bedecken kann - und alles ohne Anleitung, ohne Plan, ohne Zeichung. Nichts. Einfach nur toll. Weniger Konsum, mehr das nutzen was da ist, vor allem den Kopf :).Wenn man das nur lange genug vorlebt, kommt das bei den Kindern irgendwann an. Hurra.

Schwarze Farbe? Schwarze Farbe!

Da standen wir vor einem weiteren Problem: Unser Trockentunnel braucht eine schwarze Kollektorfläche. In den Selbstbauanleitungen werden dafür häufig Off-Set-Bleche und Solarfarbe verwendet. Die Farbe muss definitiv ungiftig sein. Im Tunnel entstehen Temperaturen über 45 Grad, Ausdünstungen sind also vorprogrammiert. Solarfarbe wollten wir nicht kaufen (schon wieder Konsum). Wasserfarbe? Wäre ein Versuch,  verläuft aber evtl. in der Kiste, wenn was tropft  und wir rechneten mal mit allem. Letztendlich haben wir uns vorerst für 2 DinA4 Blätter Tonpapier in schwarz entschieden und diese einfach auf den Boden unserer Trockenkiste gelegt. Dünstet Tonpapier giftige Dämpfe aus?  Gute Frage. Bisher habe ich dazu nichts gefunden. Da man es schon ewig in den Kindergärten dieser Welt verwenden, hoffen wir mal das Beste.

 Das große Schumzelten  über das krumme und schiefe Ding, aber....

....es tat tatsächlich seinen Dienst! Apfelscheiben von 2-3 mm Dicke waren an einen bis zwei sonnigen Tag vollständig durchgetrocknet. Anfangs hatten wir ein paar Probleme mit Schwitzwasser, die sich aber beheben ließen, in dem wir die Box in einen etwa 30 Grad Winkel zum Boden aufstellen, mit dem Dörrgut in der oberen Hälfte und die Plexiglasplatte am oberen Ende einen spaltbreit offen ließen. So lag das Trocknungsgitter etwas höher als die Kollektorfläche und die Luft konnte sich über der freien, schwarzen Kollektorfläche erst erwärmt (einströmen konnte sie durch alle die Schlitze sowieso), dann am Obst vorbei nach oben strömt und durch den Spalt zwischen Kiste und  Plexiglas entweichen.
etwas lästig aber notwendig: Die Kiste muss alle 2 Stunden der Sonne nach ausgerichtet werden.
Lässt man einen Luftspalt muss man dringend ein Fliegengitter über das Trockengut legen, sonst gibt das ein wenig appetitliches Gesumme in derTrockenbox. Den Fliegen und Wespen scheint die Dörrhitze nichst auszumachen :/

Handmade with love - Perfektion "unerwünscht"

Der solare Mini-Trockentunnel im Einsatz.Hobby-Heimwerker mögen mir verzeihen. Klar präsentiert man im Internet am liebsten die total tollen Sachen, damit alle gucken und staunen, was man alles kann :). Ich fühle mich da manchmal etwas "ab vom Schuss" und mit diesem so gar nicht serienreifen Modell auch eher am Ende der Handwerkerskala. Aber: Macht! Macht einfach! Wir hatten nichts gekauft, haben uns einige Tage Gedanken und Bastelarbeit gestellt und nun haben wir eine kleine mobile Dörreinheit, die uns zu permanenter Verbesserung inspiriert, eben weil sie nicht perfekt ist. Warum konfrontiere ich Euch mit so einer halbfertigen Idee? Genau darum! Die meisten werden "Dörrapperat kaufen" googeln und wieder blind konsumieren. Aber wir haben doch schon alles. Ressourcensparen. Kopf einschalten. Kinder inspirieren, nicht immer nur "haben wollen" zu schreien, sondern zum "will machen" anregen. Perfektion? Wozu? Mit im Baumarkt exakt zurechtgesägten, frisch polierten Holz und einem Arsenal diverser Werkzeuge kann man so ziemlich alles zur Perfektion bringen. Hier war nur ein alter Möbeltucker, einen Kinderlaubsäge, ein alter Keilrahmen, ein Knoblauchnetz, Restholz diverser Bastel-Aktionen, Tonpapier, eine alte Plexiglasplatte, Hammer und Nägel im Einsatz. Kosten: Null Euro. Spaßfaktor: 100%. Erfolgserlebnis für die Kinder: unbezahlbar :). Und das alles: Handmade with love. Was will man mehr.

Im Solartrockner getrocknete Apfelscheiben
Die Apfelringe wren in 2 Tagen knochentrocken. Meine Kinder haben sie dann noch in
Schokolade gebadet - solche Schleckermäuler.



3 Kommentare:

  1. Super Idee mit den Apfelringen und dem Dörrtunnel. Werd ich mal ausprobieren. Vielen Dank.

    AntwortenLöschen
  2. Absolut Daumen hoch deinem inzwischen vermutlich schon 15-jährigen Sohn! Wird er Ingenieur? Und Hut ab zur tollen Leistung auch der ganzen Familie! Toll, klasse, spitze! :D

    AntwortenLöschen