Zwei Monate im Bann der Nachtkerzen
Zwischen all der Brennnesselsamenernte ist die Blütezeit meiner Nachtkerzen zu Ende gegangen. Schade. Die letzte Blüte hat heute Morgen ihren Kopf hängen gelassen. Fast 2 Monate hatten sie mir fast jeden Abend volles Unterhaltungsprogramm geboten - werbefrei. Im Zuge der Nahrungsergänzung mit Linolsäure durch Brennnesselsamen (wie bei den
Liebeskeksen aus dem letzten Artikel zu lesen), kam mir natürlich auch schon längst der Gedanke einfach direkt Nachtkerzensamen, der ja schon die Gamma-Linolensäure direkt enthält, in unser tägliches Essen einzuführen. Nur: Ein Tütchen Nachtkerzensamen ist schwer zu finden, die Samen aus der Gärtnerei sind oft mit Insektiziden behandelt (damit die Käfer sie nicht annagen) und wäre so ein Samentütchen bedenkenlos essbar, es wäre doch rasch aufgegessen. Zudem würde ich Samen aus dem Baumarkt sowieso nie direkt aufs Brot streuen. Also blieb nur eins: Eigenanbau.
Vor 4 Jahren hatte ich eine einzige Nachtkerzenpflanze von meiner Nachbarin geschenkt bekommen, vor 2 Jahren säte ich daraus gewonnen Samen in den Hinterhof unseres Hauses: Mein Testfeld. Dieses Jahr war es eine Augenweide! Nachtkerzen sind 2-jährig. Im ersten Jahr erscheinen die unauffälligen bodennahen Blattrosetten, im zweiten Jahr schießen sie in die Höhe und blühen. So saß ich die letzten Wochen abends zwischen 20 und 22 Uhr vor dem Nachtkerzenfeld und beobachtet das Schauspiel, dass sich an jeden schönen Abend bot. Punkt 20 Uhr kam immer eine einsame Biene angeflogen. Die Vorhut. Sie flog von Pflanze zu Pflanze, um das erste Insekt zu sein, das in die aufblühenden Nachtkerzen klettern konnte und dort den einzigen Nachtkerzenblütennektartropfen ergatterte. Jede Nachtkerzenblüte bietet nur einmal Nektar und blüht nur in einer einzigen Nacht. Wer zuerst kommt, schleckt zuerst. Sobald die erste Blüte offen war, summten ganzen Bienenschwärme heran. Der ganze Hinterhof brummte. Absolutes Highlight war der Besuch eines Schwärmers (siehe letztes Bild), der einem Kolibri gleich, kurz vor 22 Uhr einige Abende pünktlich heransummt und immer die letzten der aufblühenden Nachtkerzen besuchte: "Mama! Schau! Der Kolibri ist wieder da!" Ja, die Natur ist wundersam. Wenn man so einen Schwärmer sieht kann man verstehen, warum es Geschichten von Feen gibt.
Wohlgemerkt: Dieses Naturschauspiel fand im Stadtinneren auf einem 3 x 3 Quadratmeter großen Stück Innenhof statt. Mehr braucht es nicht, um hundere von Insekten einen Sommer lang glücklich zu machen. Ich kann nur jedem raten - auch wenn ihr in der Stadt wohnt - möglichst viel Fläche der Natur wieder zugänglich zu machen. Heute mal kein Kochrezept, sondern ein paar schöne Impressionen.
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Urbanes Nachtkerzen-Festfeld: 3 Quadratmeter im Bann der Nachtkerzen.
Um 20 Uhr waren die Blüten noch geschlossen... |
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...doch binnen Minuten platzen die Nachtkerzenblüten auf und ihr leuchtendes Gelb
sticht regelrecht in der Dämmerung hervor. Eben wie eine Kerze in der Nacht. |
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Gleich ist es soweit: Das Schauspiel beginnt und die Nachtkerzen erblühen binnen weniger Minuten. |
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Und kaum passt eine Biene in die sich öffnende Blüte, quetscht sie sich auch schon hinein: Nektar
gibt es nur für den ersten Blütenbesucher. |
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Die Viszeralfäden der Nachtkerze lassen den Pollen wie am Schnürchen zusammenkleben. |
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Manch einen Nachtkerzenbewohner interessiert eher das Blattgrün, nicht die Blüten. |
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Andere Nachtkerzenbewohner interessieren eher die Besucher, nicht die Blüten :) |
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Was aussieht wie gelbe Krümmelkacke ist ein Pollenhäufchen. Die mit den klebrigen Viszeralfäden
zusammenklebenden Pollen werden von den Blütenbesucher überall an den Nachtkerzen abgestreift,
weil die Insekten sonst zu schwer zum Fliegen werden. Was für eine Pollenschlacht! |
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An Pollen hat diese Spinne kein Interessen. |
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Gut das diese Larve keine Ahnung davon hat, dass unter dem Blatt die Spinne auf sie lauert. |
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Pollenhäufchen auf und unter dem Blatt, ein Käfer der munter den Nachtkerze hinaufklettert.
Eine Nachtkerze für sich ist schon fast ein ganzes Biotop. |
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Manche Nachtkerzen sind so voller Pollen, dass dieser wie Spucketropfen aus den Blüten herausbaumelt... |
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...und manchmal fällt der Pollen direkt in ein Spinnennetz und wird fein säuberlich eingesponnen. |
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Wie gesagt: Wenn Nachtkerzen blühen gibt es eine Pollenschlacht. Pollen. Überall Pollen. |
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Wenn ich Biene wäre, könnte ich bei dem Anblick aber auch kaum widerstehen. |
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Diese Biene ist durch den Pollen so schwer und verklebt gewesen, dass sie sich mühsam aufs nächste
Blatt retten und sich erst einmal ordentlich abputzen musste. Die Biene hat ihre Beine an der Blattkante der
Nachtkerze abgestreift (Pollenhaufen im Vordergrund), wäre beinahe abgestürzt und klettert nun mühsam
wieder aufs Blatt, um nach einer Verschnaufpause gleich zur nächsten Blüte zu fliegen. |
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Auch kleine Bienenarten und Käfer können bei Nachtkerzen nicht widerstehen. |
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Da fliegt die Biene schon wieder: Schnell zur nächsten, gerade aufblühenden Nachtkerze.
Vielleicht war ja noch keiner vor ihr da. |
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Doch hin und wieder war jemand schneller, oft sind es kleinere Insekten.
Hier hat die Honigbiene die kleinere Bienenart (ich weiß leider nicht welche)
regelrecht aus der Blüte geekelt: Futterneid im Bienenreich. Auch das konnte man beobachten. |
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Die Grashüpfer stört das nicht, wenn der Nektar weg ist. Er frisst auch Pollen. |
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Auch wenn es mir aufgrund der fortschreitenden Dunkelheit nicht gelang, diesen Schwärmer scharf
aufs Foto zu bannen: Dies ist mein absolutes Lieblingsfoto. Nein, es ist kein Kolibri! Es ist ein Nachtkerzenschwärmer oder ein Taubenschwänzchen. Unterscheiden kann man sie nur an den Flügeln. Leider ist mir das bei den flinken Tieren nicht so ohne weiteres gelungen. Die Schwärmer sind in Deutschland nicht nur wegen der Insektizide selten geworden, sondern auch, weil ihre Lebensräume zunehmend gedüngt oder zerstört werden. Das Taubenschwänzchen gehört zu den noch recht häufig anzutreffenden Schwärmern und wird, da er wie ein Kolibri aussieht, auch Kolibrischwärmer genannt. Viele Schwärmer stehen unter Schutz. Um so wichtiger sind schmetterlingstaugliche Nektarpflanzen wie die Nachtkerze für diese Tiere. Mit ihren langen Saugrüsseln kommen sie viel tiefer in die Blüten als andere Insekten und finden so noch genug Nahrung, auch wenn die fleißigen Bienen schon zuerst da waren. |
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Wunderschöner Beitrag und so schön bebildert, einfach klasse, Daumen hoch
AntwortenLöschenVielen Dank für die wundeschöne Beschreibung. Bin heute erst auf die Seite gestoßen und bin begeistert. Soviele tolle Fotos, Rezepte , Geschichten,Ideen und Inspirationen.
AntwortenLöschenHerzlichen Dank und viele Grüße aus unserem Naturgarten aus Konstanz
Ich hab die Seite heute entdeckt und kann mich gar nicht satt sehen und lesen. Bin begeistert und werd jetzt regelmäßig reinschauen.
AntwortenLöschenViele Dank, für die tollen Ideen, Bilder, Rezepte und Geschichten.
:)) Liebe Grrüße aus unserem Naturgarten aus Konstanz.
Hallo Kreitahex,
AntwortenLöschenvielen Dank für dein nettes Kommentar. Ich freue mich immer, wenn ich mit meiner Begeisterung völlig fremde Menschen erreiche. Es ist wie ein unsichtbares Band, das Naturbegeisterte überall auf der Welt verbindet. Allzu viel blogge ich im Moment nicht, was daran liegt, dass ich gerade zwei neue Projekte aufbaue. Das eine ist mein privates Projekt, das du unter www.streuobstwerkstatt.de findest, das andere ist ein relativ großes und umfangreiches Projekt: Unser Bildungssystem muss sich ändern! So geht das mit der Schule und unseren Kindern nicht weiter. Daher gründen wir gerade eine neue Grundschule mit täglichem Draußenunterricht, die im September 2021 starten soll. Wenn du magst, schau doch mal rein unter www.draussen.schule (ohne ".de", wirklich ".schule"). Da gibt es aktuell so viel zu tun, dass mir die Zeit durch die Finger gleitet. Aber es ist ein wirklich befriedigendes Tun, nachhaltig, und hoffentlich langfristig auch eines, das in der Gesellschaft etwas bewegt. Wir suchen noch Geldgeben, Sponsoren, Schirmherren :). Infos bekommt man gern über mich.
Liebe Grüße
Sindy