Danke an Euch alle! Immer wieder bekomme ich Post von Euch, in der Ihr mir schreibt, das Ihr meinen Blog noch lest, Euch daran erfreut und ich doch weiter bloggen soll. Das ehrt mich. Da aktuell alle meine Schulprojekte und Besuchergruppen aufgrund der Corona-Vorsichtsmaßnahmen weggebrochen sind, bleibt wieder etwas Zeit zu bloggen und kochtechnisch schwelge ich gerade in Nostalgiefieber und Frühlingskräuterfreuden :D. Und mal ehrlich: Kochen aus dem Vorrat? Aus Konservendosen? Das ist ja gruselig. Wer soll denn da gesund bleiben? Nichts pusht die Immunabwehr so hoch, wie eine anständige Suppe aus frischen Frühlingskräutern, voller Vitamine, Mineralstoffen und Geschmack :). Folgt mir auf eine Zeitreise, fast 160 Jahre zurück...
Slow food - oder wie Urgroßeltern standardmäßig kochten
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Eine Wildkräutersuppe aus dem Jahr 1862 - schmeckt auch heute noch. |
So und schlage ich sprich- und wortwörtlich eine neue Seite in einem uralten Buch auf. Ich möchte Euch mitnehmen auf eine Reise in die Vergangenheit, als kochen Standardmäßig noch "slow food" war. Im Internet tut fast jeder so, als hätte er das Rad neu erfunden, aber das stimmt meist nicht. Gerade Kochrezepte existieren schon seid anno dazumal. Meist wurde das Rad nur ein wenig aufpoliert. Genau das möchte ich Euch heute zeigen. Und so widme ich diese Kapitel meiner verstorbenen Schwiegermutter, die mir vor bald 20 Jahren eines der Geschenke machte, die ich gar nicht hoch genug schätzen kann: ein Kochbuch aus dem Jahr 1862. Ich saß lange fasziniert davor und bin auch heute noch jedes Mal ein wenig aufgeregt, wenn ich vorsichtig durch die vergilbten, verfetteten und zum Teil eingerissenen Seite blättere, die seid 4 Generationen im Gebrauch der Familie meines Mannes waren. Es soll Euch dazu motivieren NICHTs zu kaufen. Es soll Euch dazu motivieren das alte Wissen NICHT zu vergessen. Es soll Euch motivieren euch an das Zu erinnern was wir bereits haben, in Kontakt zu treten mit den alten Werten, der alten Tradition und den alten Menschen. Ja, Letzteres ist gerade nicht leicht ist, aber vielleicht bittet Ihr Eure Großeltern einfach einen Brief zu schreiben mit einem Rezept ihres Lieblingsessens aus ihrer Jugend? Da fühlt sich jeder nützlich, gewollte und nicht vergessen. Unsere Großeltern bergen wahre Wissensschätze, gerade heute in so seltsamen Zeiten! Und vielleicht schaut Ihr nach dem Lesen dieses Artikels einfach mal wieder in eines der Kochbücher, die verstaubt im Schrank stehen. Es ist doch alles da. Wir brauchen NICHTs.
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"Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feine Küche" von Henriette Davidis aus dem Jahr 1862 - mein ganz privater Küchenschatz. |
Zutaten für die Kräutersuppe aus Bärenklau, Taubnesseln und Co.
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Originalrezept der Wildkräutersuppe von 1862 |
Man nehme von Sauerampfer, Portulak, Basilikum, Kopfsalat, Spinat, Dragon, Pimpernell, Schnittlauch und überhaupt was man von passenden Käutern hat, doch von den stärkeren weniger, zusammen eine handvoll, wasche und schneide sie fein. Hat man ein gutes Stück Butter mit so viel Mehl, als zur Suppe nötig ist, geschwitzt, gebe man die Kräuter dazu, welche man mit Bouillon oder Wasser fein rührt und nachfüllt, und mit Slaz, Kerbel und Petersilie , beides fein gehackt, durchkocht. Kartoffeln- oder Eiklöße werden hineingegeben und die Suppe mit Eidotter abgerührt. Zet des Kochen 3/4 Stunde.
Vorbemerkungen zum Rezept
Und nun Freestyle. Solche Rezepte sind natürlich hochgradig zum Experimentieren geeignet, denn die Mengenangabe beschränkt sich auf insgesamt "eine handvoll". Das Rezept lässt also Spielraum für eine Fülle von geschmacklichen Variationsmöglichkeiten und deswegen liebe ich dieses Kochbuch so. Letztendlich ist es also eine Suppe auf Mehlschwitz-Basis, abgebunden mit Ei. Simpel. Da Salz und Pfeffer damals kostbar waren, kommt die Suppe ohne aus. Man darf sich den Luxus aber durchaus heute gestatten. Wer jedoch viele Brennnesseln im Rezept verwendet, kann tatsächlich aufs Salzen verzichten.
Dragon ist der alte Namen für Estragon.
Man sieht also, dass man im Prinzip so ziemlich jedes essbare Pflänzlein im Rezept verwenden kann. Schöne Variationen ergeben sich mit Frühlingszwiebeln und dem derzeit überall sprießenden Bärlauch und der jetzt allgegenwärtigen Knoblauchsrauke. Man brauch also keine 200 Packungen Tütensuppe im Vorrat zu haben, sondern sollte sich ein Huhn kaufen, damit man frische Eier hat. Butter und Mehl, sind dann die einzigen Zutaten, die man wirklich einkaufen muss - zumindest was das Thema Suppen und Vorratshaltung betrifft.
Für die, die exakte Mengen brauchen würde das Rezept in die moderne Gesellschaft übertragen heißen:
Zutaten für die Kräutersuppe anno 1862:
- ein Sträußchen Wild- und Küchenkräuter (aktuell möglich: Bärlauch, Wiesenbärenklau, Taubnesseln, Brennnesseln, Pimpernelle, Sauerampfer, Basilikum, Petersilie, Schnittlauch, Giersch, Kerbel, Estragon, Knoblauchsrauke,...)
- 1/2 Liter Wasser oder Gemüsebrühe
- 1-2 EL Mehl
- 2 EL Butter
- 1 Eigelb
- Salz und Pfeffer
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Taubnesseln, Bärenklau, Brennnesseln, Gundermann - das Grünzeug war in 2 Min gesammelt. |
Zubereitung der Kräutersuppe anno 1862:
Die Kräuter waschen, auslesen, fein schneiden. In einen Topf die Butter zerlassen. Wer möchte, schwitzt auch fein geschnittene Zwiebeln an, vom Herd nehmen und das Mehl einrühren (je mehr Mehl, desto dicker wird die Suppe anschließend). Dann das Wasser unterrühren und die Kräuter zugeben. Alles wieder auf den Herd stellen und kochen lassen. Ist die Suppe zu dünnflüssig geworden, einfach etwas Mehl mit Wasser anrühren und Esslöffelweise zugeben und erneut aufkochen. Abschließend die Suppe vom Herd ziehen und das Eigelb zügig einrühren.
Wer keine stückigen Kräuter mag, kann die Suppe auch vor dem Servieren noch einmal mit dem Pürierstab fein pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Dazu passen gekochte Kartoffeln oder Eierklößen als Einlage.
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Grüner Mix aus geschnittenen Wiesenkräutern. Natürlich lässt sich die Suppe anschließen pürieren. |
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Fazit: Kochen in Krisenzeiten fast ohne Vorrat
Kochen mit Wildkräutern ist kinderleicht und auch in Krisenzeiten fast ohne Vorrat möglich, vor allem jetzt im Frühling. Das haben unsere Großeltern alle noch gewusst, denn nach dem Krieg war auch die Lebensmittelversorgung knapp und sie mussten findig sein, um nicht zu verhungern. Das Problem haben wir heute ja gar nicht. Wer sich ein wenig mit dem Thema Wildnisküche auseinandersetzt, der muss sich auch um Lebensmittelengpässen nicht fürchten. Und Angst macht letztendlich eben auch krank - genau wie zu viel Konservenessen. Natürlich ist ein Päckchen Nudeln mehr im Haus nicht verkehrt, aber notwendig sind die auch nicht, weil man sich
Nudeln auch sehr einfach selber machen kann. Das
Knoblauchsraukepesto wächst mit 80% seiner Zutaten eben auch gerade auf den Lichtungen. Statt Pinienkerne einfach ein paar einheimische Walnüsse vom Herbst verwenden und Parmesan hält sich ebenso ewig, etwas Öl und fertig. Schon 2 Tage überlebt mit Mehl, Ei, Öl, Parmesan und Nüssen ;-).
Bleibt gesund und munter.
Eure Sindy
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Kräutersuppe anno 1862 - schmeckte damals wie heute ausgezeichnet. |
oh bestimmt absolut lecker. Lieben Dank fürs Rezept teilen. Da hast du echt ein Schatz von einem Kochbuch. Finde das so schön, wenn es in der Familie weitergegeben wird.
AntwortenLöschenEiniges von diesen Kräutern wächst auch in unserem Garten. Da werde ich bestimmt die nächsten Tage auch mal ein Süppchen kochen. Den was ich immer ganz besonders toll finde, sind die vielen Vitamine usw. die in solchen Wildkräutern stecken. Bei uns wandern die Kräuter aber meistens in den Smoothie oder in die grünen Knöpfli (Spätzli).
Liebe Grüsse
Esti
Liebe Esther,
AntwortenLöschenvielen Dank für deinen netten Kommentar. Ja, wahrscheinlich hat mich meine Schwiegermutter einfach richtig eingeschätzt und gewusst, das das Buch bei mir nicht nur im Schrank steht. Ich koche, bestimmt noch mal das eine oder andere Rezept daraus und stelle das hier vor. Ich mag so etwas nämlich auch.
Knöpfi mit einer Wildkräutersuppe die man so weit andickt das es eine Soße wird? Lecker. Das stelle ich mich auch sehr köstlich vor.
Aktuelle sprießt ja recht viel, da wünsche ich Dir erfolgreiche "Jagd" :).
Liebe Grüße
Sindy