Die Kornrade ist gefürchtet und gefährdet
"Junge Frau, was machen Sie denn da im Acker?", erbost und gleichzeitig neugierig purzelte der Bauer von seiner Leiter im Kirschbaum und sprang zu mir herüber, noch unsicher, ob er nun mit mir schimpfen sollte oder was lernen konnte. "Hier wächst eine gefährdete Pflanze: die Kornrade. Ich bin so froh, dass es sie hier im Rhein-Neckar-Raum noch gibt. Wenn das Ihr Acker ist, haben Sie hier was ganz Besonderes stehen." Der Bauer wollte sich natürlich keine Blöße geben: Ja, er wisse doch schon längst das da "Kornmate" wächst. Ich musste mir ein wenig das Lachen verkneifen. Dann sein verlegener Zusatz: "Aber so richtig wissen tue ich über die Blume nichts." Na, aus dieser Verlegenheit konnte ich heraushelfen.Agrostemma githago - die Kornrade ist ein seltenes und giftiges Ackerunkraut. |
Der Alptraum der Bauern
3-5 Samen reichen, um Vergiftungserscheinungen zu bekommen. Es beginnt mit einem Kratzen im Mund und Rachen, geht weiter mit Überkeit und Erbrechen, bis hin zu Kreislaufstörungen, die im schlimmsten Fall auch zum Tod führen. Deswegen war die wunderschöne Kornrade im Mittelalter ein echter Horror für die Bauern. Je nach Feldergröße reichte bereits der Samenstand einer einzigen Blume, um das Mehl einer ganzen Ernte zu vernichten. Nun wächst die Kornrade auch häufig nicht allein am Stängel sondern bringt gelegentlich auch verzweigte Exemplare hervor, mit einer Blüte an jedem Ende.Mit 5 Samenständen an einer Pflanze hätte das Mehl eines kleinen Kornackers im Mittelalter schon eine ganze Familie vergiften können. |
Ein Ackerunkraut, dass sich nicht zähmen ließ
Einige Zeit hat man versucht, die giftigen Triterpensaponine, welche die ganze Pflanze vollständig giftig machen, aber vor allem in ihren Samen stecken, auch medizinisch zu nutzen. Das musste aber recht häufig schief gegangen sein, denn irgendwann hat man es unterlassen das Ackerunkraut als Heilpflanze zu "domestizieren" und sich gänzlich auf die Vernichtung dieses Nelkengewächs konzentriert.Noch ist die Samenkapsel nicht ausgereift, birgt aber schon jetzt ein tödliches Potential. Auch der Rest der Pflanze sollte auf keinen Fall gegessen werden. |
Eine rosa Blume sieht rot
2003 war die Kornrade "Blume des Jahres" und steht für viele Naturschützer als Sinnbild der Zerstörung der Artenvielfalt durch Unkrautvernichter wie Glyphosat und Co. Die Blume mit den hübschen rosa Blütenblättern hat es schon längst auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten gebracht. Ist nicht schlimm? Stimmt, die bereits 15 ausgestorbenen Ackerunkrautarten, die in der dritten Fassung der Roten Liste der Bundesrepublik standen, vermisst auch kein Mensch. Und über 80 weitere Ackerunkräuter stehen noch in der Warteschleife in den Pflanzenhimmel. Die Kornrade ist eine von ihnen.Uns Menschen mag das erst mal von Nutzen sein, dass wir die Kornrade bis zu ihrer Ausrottung gebracht haben, aber viele Tagfalter verlieren wieder einmal eine Art, die ihnen als Nahrungsquelle dient. Und wer weiß, vielleicht würde es die Wissenschaft ja heute schaffen, daraus ein ultimative Heilmittel für irgendeine schlimme Krankheit zu finden, aber wir sind nach wie vor auf Vernichtung ausgelegt.
wie schön***
AntwortenLöschenhabe diese pflanze heute im hafengarten in offenbach bestaunt und werde sie nächstes jahr auch in meinen garten überführen. danke für den artikel!